Franziska Preiß, Markus Dumschat
Hochschule Ravensburg-Weingarten, Deutschland
Theoretischer Hintergrund
Qualität in der Hochschullehre und im Hochschulwesen ist schwer zu fassen. Es gibt daher verschiedene Annäherungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Akteurs-Perspektiven. Als objektiv geltende Säulen des Qualitätsbegriffes zählen die Anforderungen durch gesetzliche Regelungen und Vorgaben von Akkreditierungsagenturen sowie Standards des Europäischen Hochschulraumes. Daneben spielen allerdings auch subjektive Elemente eine Rolle bei der Diskussion um die Qualität akademischer Lehre, denn letztendlich handelt es sich bei der Hochschullehre um eine Dienstleistung, deren Stakeholder implizite und explizite Erwartungen aufweisen, die nicht ignoriert werden können (Kiendl-Wendner 2016, S. 244). Hochschulen richten sich seit der Bologna-Reform verstärkt bei der Festlegung, was unter qualitätsvoller Hochschullehre verstanden wird, an den Studierenden aus, deren Studienerfolge und erworbenen Kompetenzen dabei im Fokus stehen. „Studierendenzentrierung, Employability, Inklusivität, Forschungsbezug, Projektorientierung, Internationalisierung und Teamfähigkeit prägen das Qualitätsverständnis akademischer Lehre.“ (Wagner 2016, S. 42). Lerntheoretisch lassen sich die zuvor angeführten bildungspolitischen Forderungen des Kompetenzerwerbes am ehesten durch ein interpretatives Paradigma (Siebert 1999) begründen. Neues Wissen, sowie Kompetenzen können demnach durch eigenes, aktives Handeln erlangt werden, was zudem einer erfolgreichen Verbindung der Voraussetzung Lehrender mit den Rahmenbedingungen und Merkmalen Studierender (Klinger 2011, S. 9) bedarf.Methodisches VorgehenUm sich einer Studierendenzentrierung und Qualität aus Sicht Studierender zu nähern werden Studierende an der RWU (Hochschule Ravensburg-Weingarten) stärker in die Mitgestaltung der Lehre einbezogen. Im Rahmen eines vom baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) geförderten Projekten wird die Studierendenzufriedenheit im Studiengang Maschinenbau der RWU untersucht. Seit 2017 werden daher jedes Semester teilstrukturierte, problemzentrierte Interviews (Krüger 2000, S. 333) mit Studierenden aus dem Bereich Maschinenbau geführt. Die studentischen Perspektiven auf aktuelle hochschulische Gegebenheiten und damit verbundener Auswirkungen auf motivationale Aspekte, sollen genutzt werden, um Lehr- und Lernarrangements weiterzuentwickeln. Schließlich sollte nachhaltige Lehre aktuell und zielgruppenorientiert sein. Die Auswertung erfolgt durch eine qualitativ inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse (Kuckartz 2016, S. 101).
Ergebnisse
Erste Ergebnisse aus 15 Interviews, haben gezeigt, dass Studierende des befragten Samplings einen curricular vernetzenden Ansatz im Bereich der Lehre schätzen und positiv bewerten. Die vernetzende Struktur, die sich durch die Vorlesungen der Maschinenbau-Grundkurse zieht, hilft den Studierenden, Querverbindungen zwischen Lehrveranstaltungen, -inhalten und dem Berufsfeld herzustellen. Allerdings zeigen die Ergebnisse auch weiteres Potential hinsichtlich studentischer Heterogenität und Vielseitigkeit des Fachbereichs Maschinenbau.DiskussionDie Fakultät Maschinenbau der RWU verfolgt seit mehreren Semestern einen curricular vernetzenden Ansatz zur Steigerung der Lehrqualität. Didaktisches Kernelement stellt ein Produktleitbeispiel dar, welches Lehrveranstaltungen untereinander verbindet und Querverbindungen zum Berufsfeld aufzeigt. Ein anwendungsorientierter, ingenieurwissenschaftlicher Kompetenzerwerb, wie vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (2015) gefordert, konnte bei befragten Personen im Sampling auf Basis der curricularen Vernetzung erkannt werden. Forderungen seitens der Studierenden nach weiteren Produktleitbeispielen bestärken dies. Um dem von Ladenthin (2018) beschriebenen kognitionspsychologischen Entwicklungen zu begegnen, könnte die multiperspektivische Betrachtung von Lehrinhalten mittels verschiedener Leitbeispiele ein vielversprechender Ansatz sein.
Ausblick
Gemeinsam mit dem Team der Hochschuldidaktik wird eruiert, wie man einen ganzheitlichen Ansatz aus Vernetzung der Lehre anhand eines Leitbeispiels auf andere Fachbereiche übertragen kann, um zugleich zu untersuchen, wie hochschulinterne Kooperationen zwischen Fakultäten gestärkt und die Qualität der Hochschullehre kontinuierlich gefördert werden können.
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- T1 Vorträge 2 (11∶45 13∶00)
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Hallo Frau Groß,
vielen Dank für Ihr Kompliment bzgl. des Vortrages. Gerne greifen wir Ihre Anregung auf und möchten versuchen Ihre Frage wie folgt zu beantworten:
Vorweg ein paar Gedanken zur Begriffsdefinition. Wir bezeichnen an unserer Hochschule das Lehr-/Lernobjekt, welches zur Vernetzung des Fächerkanons herangezogen wird, als sogenanntes „Produktleitbeispiel“. Für dieses „Produktleitbeispiel“ haben wir, nach didaktischen Kriterien, in erster Instanz eine „Motorsäge“ ausgewählt. Im Grunde scheinen sich aber, je nach Zielgruppe, verschiedene technische Produkte, welche einen ingenieurwissenschaftlichen Konstruktions-, Erprobungs- und Fertigungsprozess durchlaufen haben, für solch ein Leitbeispiel zu eignen. Sie sehen schon, auch ich unterschlage hier nun das Vorwort „Produkt“, denn im Grunde handelt es sich bei unserem „Produktleitbeispiel“ um ein reales, technisches Produkt (auf dem freien Markt erhältlich), welches die Studierenden im Bachelor-Grundstudium durch die einzelnen Lehrveranstaltungen „leiten“ und ihnen Querverbindungen von Lehrveranstaltung zu Lehrveranstaltung sowie zum ingenieurwissenschaftlichen Berufsfeld aufzuzeigen, soll.
Diese Vernetzung betrifft Lehrveranstaltungen wie beispielsweise die Technische Mechanik, Werkstoffkunde, Fertigungstechnik, Mathematik , Thermodynamik uvm.
Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben:
Die Motorsäge besitz eine Führungsschiene (ugs. Schwert), um welches die Sägekette rotiert. Diese Führungsschiene lässt sich wunderbar für die Technische Mechanik zu einem Modell, in Form eines Biegebalkens, transformieren um daran Kräfte, Momente usw. zu behandeln. Des Weiteren kann darüber auch ein Bezug zur Werkstoffkunde hergestellt werden (z.B. Thema Steifigkeit -> Werkstoffauswahl). Mit dem Thema der Werkstoffauswahl lässt sich zugleich ein weiterer Bogen spannen und zwar zu Härteprozessen, welche dann aus werkstoffwissenschaftlicher Sicht wie auch fertigungstechnischer Perspektive betrachtet werden können und das einzig und allein an einem Bauteil des Gesamtsystems „Motorsäge“. Sie sehen die Vielseitigkeit und Einsatzmöglichkeiten, welche das „Produktleitbeispiel“ für die Lehre im Ingenieurstudium mit sich bringt sind groß. Die Kontakthäufigkeit der Studierenden mit dem Leitbeispiel variiert etwas und ist abhängig von Faktoren, wie der Lehrveranstaltung, den Lehrinhalten, den Lehrenden usw.
Aktuell liegt der Umfang bei ca. 1-2 mal pro Lehrveranstaltung im Semester. An einem weiteren Ausbau wird gearbeitet und auch die Variation des „Produktleitbeispiels“ steht im Raum.
Ich hoffe wir konnten Ihre Frage beantworten.
Gerne könne Sie uns auch direkt kontaktieren.
Wir freuen uns von Ihnen zu hören.
Mit besten Grüßen
Markus Dumschat & Franziska Preiß
Vielen lieben Dank! Ihre Antwort hilft mir die Ergebnisse noch eine bisschen besser einordnen zu können.
Vielen Dank für den tollen Vortrag. Sowohl die Folien als auch die digitale Umsetzung haben das Zuschauen/ Verfolgen des Beitrages sehr angenehm gemacht.
Ich war allerdings etwas verunsichert. Zwar haben Sie ab etwa Minute vier gesagt, dass es ein Produktbeispiel (ist es synonym mit Leitbeispiel?) gäbe, aber nicht darauf hingewiesen, dass es sich in ihrem Beitrag um die Motorsäge handelt. Ich musste daher einmal von Minute acht in der Präsentation zurückspringen, da ich die von den Studierenden genannte Motorsäge nicht einordnen konnte. Mir persönlich hätte zur besseren Einordnung der Ergebnisse aus den Interviews ein exemplarisches Beispiel geholfen, in wieweit die Motorsäge als Produktbeispiel die Studierenden in welchem Umfang im Studium begleitet.