Jan-Hendrik Hinzke (Universität Bielefeld, Deutschland), Angelika Paseka (Universität Hamburg, Deutschland)
Forschendes Lernen ist in verschiedenen Studiengängen im deutschsprachigen Raum ein aktuelles Thema (vgl. etwa Reinmann et al. 2019). Im Bereich der Lehrer*innenbildung kam es in den letzten Jahren u.a. durch Einführung verlängerter Praxisphasen zu einer Ausdifferenzierung von Konzepten Forschenden Lernens (vgl. etwa Schüssler et al. 2016). Forschendes Lernen im Rahmen universitärer Lehrer*innenbildung ist dabei in eine grundlegende Spannung eingebunden, die sich aus unterschiedlichen Zielsetzungen ergibt, welche sich den drei Referenzsystemen Wissenschaft, Person und Praxis zuordnen lassen (vgl. Weyland 2019): die Ermöglichung, dass Studierende (fach-)wissenschaftliche Erkenntnisse generieren und Einblicke in Forschungsprozesse erhalten; die Anregung von Bildungsprozessen im Sinne der Entfaltung der eigenen Person; die Vorbereitung auf die Berufspraxis durch Forschen im Handlungsfeld Schule. Das Erkenntnisinteresse des vorgestellten Forschungsprojektes besteht darin, näher zu erschließen, wie Studierende mit den damit aufgeworfenen Ambivalenzen umgehen.
Dazu werden Daten aus einer Studie genutzt, die aus den im MA-Studiengang aller Lehrämter verorteten zweisemestrigen Forschungswerkstätten stammen. Aufbauend auf dem Begriffsverständnis von Huber (2009) gestalten, erfahren und reflektieren Lehramtsstudierende hier einen Forschungsprozess in seinen wesentlichen Phasen: Innerhalb eines gegebenen Rahmenthemas entwerfen sie in Teams eine Forschungsfrage und bearbeiten diese methodisch geleitet, indem sie an kooperierenden Schulen Daten erheben. Im zweiten Semester werten sie die Daten aus, präsentieren ihre Ergebnisse an den Schulen und schreiben einen Forschungsbericht. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Zielen Wissenschaft und Person, eine Ausbildungsfunktion ist nicht zentral.
Die Begleitstudie zu fünf parallel organisierten schulpädagogischen Forschungswerkstätten hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Erfahrungen Studierende angesichts der skizzierten Spannung mit Forschendem Lernen machen. Zur Beantwortung wurden zu zwei Zeitpunkten Gruppendiskussionen – zwei pro Forschungswerkstatt – durchgeführt und mit der Dokumentarischen Methode (vgl. Bohnsack 2014, 2017) ausgewertet.
Im Beitrag werden zentrale Rekonstruktionsergebnisse präsentiert. Auf Ebene des kommunikativen Wissens zeigt sich, dass alle Gruppen Irritationen erfahren haben, die sich damit erklären lassen, dass die Studierenden bestimmte Common Sense-Theorien über Forschung an die Forschungswerkstätten herantragen und institutionalisierte Normen im Sinne von Erwartungen, die durch die Organisation Universität an sie gestellt werden, wahrnehmen. Diese kommunikativen Wissensbestände stehen in einem Spannungsverhältnis zu impliziten Wissensbeständen, die das Handeln der Studierenden leiten.
Die rekonstruierten kollektiven Orientierungen von Lehramtsstudierenden in Bezug auf Forschendes Lernen werden abschließend unter den Fragen diskutiert, welche studentischen Lernprozesse auf dieser Basis möglich erscheinen und welche Herausforderungen sich dadurch für die hochschuldidaktische Gestaltung Forschenden Lernens stellen.
Literatur
- Bohnsack, R. (2014). Rekonstruktive Sozialforschung. 9., überarbeitete und erweiterte Auflage. Opladen & Toronto: Budrich.
- Bohnsack, R. (2017). Praxeologische Wissenssoziologie. Opladen u. a.: Budrich/UTB.
- Huber, L. (2009). Warum Forschendes Lernen nötig und möglich ist. In L. Huber, J. Hellmer & F. Schneider (Hrsg.), Forschendes Lernen im Studium (S. 9-35). Bielefeld: UVW.
- Reinmann, G., Lübcke, E. & Heudorfer, A. (Hrsg.) (2019). Forschendes Lernen in der Studieneingangsphase. Wiesbaden: Springer VS.
- Schüssler, R., Schöning, A., Schwier, V., Schicht, S., Gold, J. & Weyland, U. (2016). Forschendes Lernen im Praxissemester. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
- Weyland, U. (2019). Forschendes Lernen in Langzeitpraktika. Hintergründe, Chancen und Herausforderungen. In M. Degeling, N. Franken, S. Freund, S. Greiten, D. Neuhaus & J. Schellenbach-Zell (Hrsg.), Herausforderung Kohärenz (S. 25-64). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
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