Stefanie Schröder
Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Deutschland
Angebot für einen Vortrag im Track 2 – Mesoebene (Studiengänge/Programme) sowie alternativ in Track 5 – Offener Track
Geflüchtete fordern die etablierten Studienvorbereitungsprogramme für internationale Studierende in Deutschland in formaler, organisatorischer und sozialer Hinsicht heraus (Grüttner et al. 2018). Obwohl das Studium von Geflüchteten in Deutschland kein neues Phänomen darstellt, trat diese Gruppe internationaler Studienbewerber*innen erst nach dem Anstieg der Fluchtmigration seit 2014/2015 in den Fokus von verantwortlichen Akteur*innen aus Hochschulen und Politik sowie der Öffentlichkeit. Ein bedeutsamer Anteil von ihnen strebt den Beginn bzw. die Weiterführung eines Studiums in Deutschland an und verfügt zudem über die hierfür notwendigen formalen Qualifikationen (Brücker et al. 2016). Allerdings liegt bislang vergleichsweise wenig und vor allem tendenziell unsystematisches wissenschaftliches Wissen über die Bedingungen für erfolgreiche Übergänge ins Studium bzw. den Studienerfolg von Geflüchteten vor (Berg et al. 2018).
Entsprechend der formalen Regulierung des Hochschulzugangs in Deutschland müssen studieninteressierte Geflüchtete grundsätzlich wie internationale Studienbewerber*innen aus Ländern außerhalb der EU zunächst die erforderliche Studienvorbereitung absolvieren. Die wichtigsten Organisationstypen im Feld der Studienvorbereitung stellen einerseits Sprachkurse (zumeist angeboten von Hochschulen) dar, die die geforderten Deutschkenntnisse in der Regel auf dem Niveau C1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen vermitteln, sowie andererseits die sog. Schwerpunktkurse der Studienkollegs für internationale Studierende, die eine sprachliche und fachliche Studienvorbereitung in einem meist einjährigen Programm integrieren (Schröder et al. 2019).
Der Vortrag beschäftigt sich mit den etablierten Studienvorbereitungsprogrammen auf der Basis einer qualitativen Expert*innen-Befragung, die explorativ und fallvergleichend angelegt ist. Im Mittelpunkt der Analyse steht die Frage danach, auf welche Weise Handlungsmuster auf der Organisationsebene einerseits sowie professionelle Handlungsroutinen der verantwortlichen Akteur*innen andererseits Übergänge von internationalen Studienbewerber*innen mit Fluchterfahrung ins Studium – positiv wie negativ – beeinflussen können. Der Analysefokus setzt dabei zunächst an der Bedeutung sogenannter „Bewertungsketten“ (Saner 2019) für die organisationale Identität (Kleimann 2018) auf der Ebene der Governance-Strukturen der Studienvorbereitungsprogramme an und nimmt insbesondere die Selektionsschwellen der Aufnahme- und Abschlussprüfung – die im Sinne der Soziologie der Konventionen als Bewährungsproben verstanden werden – und deren organisationsspezifische Rahmung in den Blick. Auf der theoretischen Basis von Lamont et al. (2014) werden auf der individuellen Ebene der Akteur*innen deren Wahrnehmungen ihrer professionellen Handlungsspielräume bzw. Spannungsfelder im Hinblick darauf rekonstruiert, inwiefern auffindbare Handlungs- und Deutungsmuster (vgl. auch Emirbayer & Johnson 2008) durch symbolische, kulturelle und strukturelle Inklusions- und Exklusionslogiken geprägt werden, die mit der organisationsspezifischen Governance der Studienvorbereitungsprogramme verknüpft werden können.
Die Samplingstrategie für die Expert*innen-Befragung setzt auf der Ebene der organisatorischen Differenz der Studienvorbereitungsprogramme an, indem zunächst Varianz im Hinblick auf rechtliche Rahmenbedingungen (Bundesland- sowie hochschulspezifische Regulierung des Hochschulzugangs und der hierdurch erforderlichen Studienvorbereitung) hergestellt wird. Darüber hinaus wird eine organisationsspezifische Differenzierung der Handlungsebenen vorgenommen, indem in jedem der beiden Organisationstypen neben einer/eines Expert*in in einer Koordinations- bzw. Leitungsfunktion zusätzlich eine langjährig erfahrene Lehrkraft einbezogen wird.
Themenbereiche
- Mesoebene
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- T1 Vorträge 2 (11∶45 13∶00)
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„Ein bedeutsamer Anteil von ihnen strebt den Beginn bzw. die Weiterführung eines Studiums in Deutschland an und verfügt zudem über die hierfür notwendigen formalen Qualifikationen (Brücker et al. 2016)“. Das halte ich für falsch und v.a. verzerrt, dass die Qualifikationen bei einem bedeutsamen Anteil in äquivalenter Form vorliegen ist bereits umfänglich widerlegt (vgl. Überblick bei Stoewe et al. 2017/ Bildungsreport, https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Report/PDF/2017/IW-Report_2017_37_Bildungssysteme_in_den_Herkunftslaendern_Gefluechteter.pdf).
Begrenzte Studienkapazitäten im Inland dürfen nicht zu einer Benachteiligung deutscher Bewerber/innen führen. Wir brauchen ein einheitliches Auswahl- und Selektionssystem und Anreize für hochqualifizierte ausländische Studieninteressenten. Was wir nicht brauchen ist die Anpassung der Hochschulen an schlechtqualifizierte Kulturfremde Migranten. Der Hochschulstandort Deutschland lebt von der hohen Qualität der Bildung, Senkung des Niveaus oder Nivellierung der Studienanforderungen sind keine Lösungen sondern ein massives Problem für die Zukunft.
Es fehlt mir hier eine kritische Auseinandersetzung mit dieser emotional und politisch belasteten Thematik.
Meine Aussage, dass ein bedeutsamer Anteil der Geflüchteten über die formal notwendigen Qualifikationen verfügt, um in Deutschland ein Studium zu beginnen oder fortzusetzen, wird durch den von ihnen genannten Report des DIW im Gegenteil gestützt. Der Bericht fasst hierfür Auswertungen von Prozessdaten des BAMF (sogenannte SoKo-Daten) und Auswertungen der IAB-BAMF-SOEP-Befragung 2016 zusammen (Abb. 3 auf Seite 9: 37% potenziell Studienberechtigte sowie Abb. 2 auf Seite 8: 35%). Letztere zitiere ich in meinem Vortrag mit Brücker et al. 2016. Zugleich weist der DIW-Report im Einklang mit weiteren aktuellen Studien auf die Heterogenität der seit 2015 nach Deutschland Geflüchteten in Bezug auf Bildungsabschlüsse und berufliche Qualifikation hin, was meiner Aussage aber nicht entgegensteht.
Zudem hat der Bericht keinerlei Anspruch und verfügt nicht über die erforderliche Datengrundlage, die Frage zu beantworten, wer für ein Hochschulstudium in Deutschland geeignet ist. Mir ist es wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass dabei erworbene Bildungs- und Berufsqualifikationen von in Deutschland anerkannten Bildungs- und Berufsabschlüssen unterschieden werden. Was die Regulierung des Hochschulzugangs und die Vergabe von knappen Studienplätzen in vielen Studienfächern betrifft, so muss Qualifikation das entscheidende Merkmal sein (siehe entsprechende Urteile zum NC des BVerfG). Ich kann nicht erkennen, wie hierdurch Studienbewerber*innen mit einer in Deutschland erworbenen Hochschulzugangsberechtigung benachteiligt werden.
Alle für ein Studium auf Basis von Bildungsabschlüssen aus ihren Herkunftsländern formal qualifizierten Geflüchteten haben in Deutschland, bevor die Aufnahme eines Studiums auch nur entfernt für sie in Frage kommt, einen langen Weg der sprachlichen und in einigen Fällen darüber hinaus fachlichen Studienvorbereitung vor sich, der durch ihre besondere Lebens- und Lernsituation stark beeinflusst wird. Wer diesen Weg dennoch erfolgreich meistert, sollte über die tatsächlich erforderlichen Qualifikationen verfügen, in Deutschland ein Studium fortzusetzen bzw. zu absolvieren. Deswegen beschäftige ich mich wissenschaftlich mit der Frage, wie die Einrichtungen in der Studienvorbereitung aufgestellt sind, um die legitimen Bildungsansprüche von Geflüchteten zu unterstützen.
Im Übrigen ist Kultur für mich keine Frage der Nationalität oder Herkunft. Aufgrund Ihrer Ausführungen im Kommentar habe ich den Eindruck, dass ich kulturell weiter von Ihnen entfernt bin als es alle internationalen Studienbewerber*innen ob mit oder ohne Fluchterfahrung jemals sein können.
Tippfehler: Die Quellenangabe Brücker et al. 2017 stammt aus dem Abstract zum Vortrag. Sie lautet korrekt und komplett: Herbert Brücker, Nina Rother und Jürgen Schupp (Hrsg.) (2016) IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten: Überblick und erste Ergebnisse. Politikberatung kompakt 116. DIW: Berlin.