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Digitalisierte Lehrveranstaltungsevaluation und Feedback. Perspektiven von Lehrenden und Evaluationsverantwortlichen

Gerald Wolf1, Christian Kothe2

1Universität zu Köln, Deutschland; 2Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Deutschland

An Hochschulen sind in vielen Handlungsfeldern weitreichende Prozesse der Digitalisierung zu beobachten. Diese verändern nachhaltig die Interaktion und schaffen neue Potenziale für Lehre und Studium. Zu nennen sind Campusmanagementsysteme, Lern-Management-Systeme und digitale Lehr- und Lernstrategien. Zudem ist eine Digitalisierung der hochschulbezogenen Evaluationsformate zu verzeichnen (vgl. Harris-Huemmert, Pohlenz & Mitterauer 2018). Dabei nimmt die Digitalisierung Einfluss auf die Forschungsmethodologie, indem sie neue Möglichkeiten schafft, Methoden zu verknüpfen. Sie verändert zugleich durch die Verwendung digitaler Medien in Lehr-Lern-Prozessen den Gegenstand der Evaluation. Dieser Prozess kann durch Evaluation kritisch begleitet werden. Die Veränderung von Evaluationspraktiken an der Hochschule betrifft auch die mittlerweile übliche Lehrveranstaltungsevaluation (LVE).

In den letzten Jahren haben zahlreiche Hochschulen begonnen, die LVE von einem papier-basierten zu einem online-basierten Verfahren umzustellen (vgl. Treischl & Wolbring 2017). Diesem Verfahren werden große Chancen zugebilligt, wie die Reduzierung des zeitlichen Aufwandes für die Rückmeldung, eine größere Flexibilität der Fragebögen, hohe Datenqualität und reduzierte Transaktions- und Verwaltungskosten. Zugleich werden aber auch Risiken thematisiert, wie die Übernahme einer informellen Sprache aus dem Social-Media-Bereich durch eine Teilgruppe der Studierenden (Gakhal & Wilson 2019). Ein anderer wesentlicher Einwand ist die Befürchtung, dass Onlinebefragungen mit einer geringeren Rücklaufquote einhergehen. Treischl und Wolbring (2017) stellen jedoch fest, dass die höchsten Rücklaufquoten in Online-Verfahren dann vorliegen, wenn den Studierenden die Gelegenheit und die Zeit gegeben wird, während der Unterrichtszeit, sprich Online-in-Präsenz (OiP) zu evaluieren. Darüber hinaus erlaubt dieses Verfahren ohne großen Ressourcenaufwand ein zeitnahes Rückmelde- bzw. Feedbackgespräch zwischen Lehrenden und Studierenden, in dem Verständlichkeit und Akzeptanz der Ergebnisse in der gemeinsamen Interaktion kommunikativ hergestellt werden und Handlungskonsequenzen formuliert werden können.

Im Vortrag werden Perspektiven von Lehrenden und Evaluationsverantwortlichen auf eine Form der digitalisierten Lehrveranstaltungsevaluation vorgestellt, die direktes Feedback und interaktiven Dialog zwischen Lehrenden und Studierenden erleichtert.

Folgende Forschungsfragen stehen im Mittelpunkt:

  • Welche Unterschiede sehen Lehrende zwischen OiP-Verfahren und der traditionellen analogen LVE mit paper&pencil?
  • Wie hat sich das OiP-Verfahren auf den Prozess der LVE ausgewirkt?
  • Nutzen die Lehrenden eine interaktive transparente Darstellung und Diskussion der Ergebnisse am Ende der Präsenzveranstaltung?
  • Wie empfinden Lehrende die Evaluation und ein Feedbackgesprächund welche Schlüsse ziehen sie für sich und ihre Lehre daraus?
  • Welche grundsätzlichen Einstellungen gegenüber dem Evaluationsverfahren haben Lehrende entwickelt und welche Konsequenzen ziehen sie daraus?

Die Datenbasis bilden leitfadengestützte Experteninterviews, die mittels Grounded Theory Methodologie ausgewertet wurden. Wir präsentieren erste Ergebnisse unserer Auswertung, zum Beispiel die Bewertung von Chancen und Risiken der OiP-Evaluation aus der Perspektive von Lehrenden und Evaluationsverantwortlichen.

Literatur:

Gakhal, S. & Wilson, C. (2019). Is students’ qualitative feedback changing, now it is online?, Assessment & Evaluation in Higher Education44(3), 476-488.

Harris-Huemmert, S., Pohlenz, P. & Mitterauer, L. (2018). Digitalisierung und Evaluation: Eine Positionsbestimmung. In S. Harris-Huemmert, P. Pohlenz & L. Mitterauer (Hrsg.). Digitalisierung an der Hochschule. Neue Anforderungen an die Evaluation? (S. 7-14). Münster & New York: Waxmann.

Treischl, E. & Wolbring, T. (2017). The Causal Effect of Survey Mode on Students’ Evaluations of Teaching: Empirical Evidence from Three Field Experiments. Research in Higher Education, 58, 904-921.

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Themenbereiche

  • Digitalisierung

Autoren

  • G. Wolf
  • C. Kothe

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  • T1 Vorträge 1 (10∶15 11∶30)

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Auch von mir ein Dankeschön für Ihren Vortrag! Sie legen u.a. dar, dass Evaluation zur Verbesserung der (künftigen) Lehre beiträgt. Haben Sie in Ihren Interviews etwas darüber erfahren, ob Evaluationsergebnisse zur Grundlage von Geprächen über (gute) Lehre auf Fachbereichs-, Fakultäts und Hochschulleitungsebene herangezogen werden? Fragehintergrund: wer – außer den Lehrenden – erhält die Evaluationsdaten, wer hat ein Interesse an den Daten (versus Datenschutz)?

Liebe Frau Sommer,
digitalisierte LVE kann zur Verbesserung der Lehre beitragen. Wir haben dazu nicht näher nachgefragt, es gibt an den drei Hochschulen (laut den befragten Evaluationsverantwortlichen unterschiedliche Praktiken, wie mit den Evaluationsergebnissen umgegangen wird. Interessant ist dass zum Beispiel an der Universität zu Köln jede Fakultät eine eigene Evaluationspraxis hat und die Ergebnisse unterschiedlich intern und extern veröffentlicht werden.
Im Grunde sind die Evaluationsdaten für die Lehrenden und für die Studierenden wenn diese im Rahmen eines Feedbackgespräches zurückgespiegelt werden interessant und für den jeweiligen Studiendekan, Studiengangsverantwortlichen, etc. – darüber hinaus gibt es ja unterschiedliche Evaluationsordnungen, etc.

Der Vortrag ist sehr informativ! Vielen Dank dafür.
Den Wert von Evaluation und Feedback für die (Entwicklung von) Lehre (und Lehrenden) kann ich unterstreichen.
Gibt es auch Rückmeldungen, wie die Studierenden die Evaluation wahrnehmen?
Wie könnte Evaluation auch dazu dienen, die Selbstreflexion und Fähigkeiten zur kritischen Einschätzung und Bewertung von Lehre zu trainieren?

Liebe Frau Strohschein,
aus der Perspektive der befragten Lehrenden wurden die Reaktionen bzw. Rückmeldungen der Studierenden unterschiedlich wahrgenommen. So wurde einerseits beobachtet, dass viele Studis desinteressiert sind und sich meist nur Einzelne beteiligen. Andere Lehrende berichteten aber, dass die Auseinandersetzung mit den eigenen Rückmeldungen für die Studierenden bedeutsam sein. Aufschlussreich aus der Perspektive der befragten Lehrenden ist, dass Studierende pragmatisch und nicht idealistisch an die Evaluation herangingen.
Falls Sie hierzu interessiert sind: Hier der Link zu unserem Artikel in der Zeitschrift für Hochschulentwicklung: https://www.zfhe.at/index.php/zfhe/article/view/1307
Die Perspektive der Studierenden selbst wäre noch für eine weitere Forschung interessant – um alle Perspektiven der LV-Involvierten zu haben.

Vielen Dank für Ihren Vortrag! Können Sie mir die Stichprobe noch etwas ausführlicher beschreiben?

Liebe Frau Ruth Jürgens,

wir haben insgesamt 7 Lehrende (von jeweils einer Fakultät an zwei Hochschulen) und 3 Evaluationsverantwortliche befragt. Unser Sampling erfolgte als selektives Sampling (Kelle und Kluge, 2010, S. 50). Befragt haben wir Lehrende, die bereits in Kontakt mit der OiP-Evaluation gekommen sind oder dieses im Befragungszeitraum durchführten.
Bei den Interviewten handelte es sich um drei wissenschaftliche Mitarbeiter/innen auf einer Qualifizierungsstelle, drei Juniorprofessorinnen/-professoren sowie ein Professor, der wenige Wochen vor dem Interview eine Professur übernommen hat.
Wir haben unser Projekt vor kurzem in der Zeitschrift für Hochschulentwicklung publiziert: Hier der Link: https://www.zfhe.at/index.php/zfhe/article/view/1307

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