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Die Heterogenität der Studierendenschaft im Spannungsfeld zwischen individueller und institutioneller Verantwortung

Dirk Reifenberg

ISTAT – Institut für angewandte Statistik, Deutschland

Die zunehmende Heterogenität der Studierendenschaft wird häufig als eine Herausforderung für die Hochschulbildung betrachtet. Einerseits sehen sich Hochschulen mit der Forderung konfrontiert, ihre Angebote für neue Zielgruppen zugänglich zu machen, andererseits treffen Personen mit unterschiedlichen Hintergründen auf das System Hochschule und müssen individuelle Anpassungsleistungen erbringen.

Fragestellungen

Welcher Grad von Heterogenität lässt sich für verschiedene Hochschulformen, Abschlussarten, Fächergruppen und Studienformate feststellen?Welche Heterogenitätsaspekte wirken sich signifikant auf Examensnote und Studiendauer aus und mit welchen Studienbedingungen stehen diese Heterogenitätsaspekte in einem statistisch robusten Zusammenhang?

Theoretischer Rahmen

Mittels des Begriffs Heterogenität werden Merkmale zusammengefasst, die dazu geeignet sind, Unterschiede zwischen Personen beziehungsweise Gruppen von Personen darzustellen. Wild und Esdar (2014, S.10) betonen, dass die Merkmale der Heterogenität nicht, wie im Falle von »Diversity«, mit Forderungen zur Herstellung von Chancengleichheiten verknüpft werden, sondern einer rein deskriptiven Darstellung dienen. Andererseits ist die Feststellung von »Heterogenität« mit der Grundannahme verbunden, dass Personengruppen hinsichtlich bestimmter Merkmale von einem unterstellten Normtypus abweichen (Rowert et al., 2017, S. 7).Heterogenität in der Hochschule wird als eine steigende Vielfalt der Studierendenschaft aufgefasst (Berbermeier und Nussbeck, 2014, S. 87). Ausgangspunkt dieser Betrachtung kann dabei unter anderem die Annahme sein, die Bildungsexpansion führe zwangsläufig dazu, dass Personengruppen, die bislang eher nichtakademische Optionen bevorzugt hätten, an die Hochschulen drängten, was zu einer Zunahme an Heterogenität hinsichtlich zahlreicher Merkmale innerhalb der Studierendenschaft führe (Pasternack und Wielepp, 2013). Hanft (2015, S. 13) zeigt auf, dass Heterogenität bereits über zwei Jahrzehnte hinweg mit einer mangelnden Studierfähigkeit gleichgesetzt und somit als Defizit der Studierendenschaft betrachtet wird.

Methodisches Vorgehen und Datengrundlage

Als Datengrundlage werden Ergebnissen des Kooperationsprojekts Absolventenstudien, des Projekts Studium und Beruf in Nordrhein-Westfalen sowie des Absolventenpanel 2017 genutzt. Diese Daten sind für die vorliegende Fragestellung von hohem Wert, da die Datenbestände sowohl über einen Netzwerkansatz, eine landesweite Vollerhebung als auch über eine bundesweite Stichprobe gewonnen wurden.Die deskriptive Analyse erfolgt mittels eines Heterogenitätsindexes, der entsprechend eines Algorithmus zusammengestellt wird und übersichtliche Ergebnisse auf hohen Aggregatebenen liefert. Die detaillierten multivariaten Analysen erfolgen in Form von metrischen und logistischen Regressionsrechnungen.Alle Untersuchungsergebnisse werden in grafischer Form aufbereitet.

(Zu erwartende) Ergebnisse

Der höchste Grad an Homogenität der Studierendenschaft wird in den universitären Studiengängen, welche mit einem Staatsexamen abschließen erwartet. Hingegen wird das höchste Maß an Heterogenität in den Bachelorstudiengängen der Fachhochschulen vermutet.Die Wesentlichsten Einflussfaktoren auf die Studienleistung werden in der Hochschulzugangsberechtigung, der Note der Hochschulzugangsberechtigung, der Internationalität aber auch hinsichtlich des gewählten Studienformates vermutet.Vermutet wird, dass die Studienorganisation ein wesentlicher Einflussfaktor ist, der auf die Studienleistung unter Kontrolle der Heterogenitätsfaktoren wirkt.

Themenbereiche

  • Mesoebene

Autoren

  • D. Reifenberg

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  • T1 Vorträge 2 (11∶45 13∶00)

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Lieber Dirk,
ein sehr spannendes Abstract! Zu schade, dass es diesen Vortrag nun nicht gibt. Ich wäre daher auch sehr interessiert an den Folien und/oder einer Publikation dazu.
Wie Du ja weißt, habe ich auch selbst zu einem zentralen Aspekt Deines hier gewählten Themas, dem Einfluss individueller Faktoren (~Heterogenität) und institutioneller Faktoren (u.a. Studienorganisation und -bedingungen) auf die Studiendauer mit den KOAB-Daten multivariate Analysen durchgeführt, die im April in der ZfEv (Nr. 1/2020) veröffentlicht werden (www.researchgate.net/publication/339954145).
Dabei kam heraus, dass v.a. Studierende im De-facto-Teilzeitstudium bzw. erwerbstätige Studierende, Studierende mit Care-Verpflichtungen, ausländische Studierend (sowie übrigens tendenziell auch Nichtakademikerkinder) unter Berücksichtigung aller anderen hier in einem umfassenden Modell einbezogenen potentiellen Einflussfaktoren länger studieren. Und dies sind nur die stärksten fächerübergreifend relevanten und zugleich von den Hochschulen zumindest teilweise beeinflussbaren Einflussfaktoren auf die Studiendauer.
Die Abiturnote als am häufigsten genutzer (wenngleich umstrittener) Indikator für „Studierfähigkeit“ spielt demgegenübere nur eine relativ geringe Rolle. Und je nach Fächerkultur spielen auch bestimmte Aspekte der Studienbedingungen und -qualität eine Rolle, was wiederum Handlungsmöglichkeiten für Hochschulen und Hochschulpolitik nahelegt.
Für die Hochschulpraxis bedeutet dies: Würde man für Studierende deutlich mehr und flexiblere Teilzeitstudienmöglichkeiten anbieten und sie diese auch mit entsprechend dazu passenden BAföG-Regelungen nutzen können, so resultierte daraus ein deutlich höherer Anteil Studierender in der Regelstudienzeit. Das gilt vor allem für diejenigen Hochschulen mit für ihre Studierenden möglichst gut passenden Angeboten. Und dies wiederum dürfte angesichts des Hochschulpakt-Nachfolgeprogramms von Bund und Ländern, in dem die Studierenden in der Regelstudienzeit der wichtigste Finazierungsindikator sind, künftig noch bedeutsam(er) werden. 😉
Beste Grüße
René

Der Beitrag klingt sehr spannend und die Ergebnisse würden mich sehr interessieren. In unserem GfHf-Beitrag (Anita Schwikal und mir) haben wir versucht ihre Forschungsfrage theoretisch anzunähern. Indem wir ein Diversitätsmodell für den Hochschulkontext angepasst (wir haben uns bewusst für den Diversitätsbegriff entschieden, da wie Sie auch schreiben der Heterogenitätsbegriff häufig negativ behaftet ist) und mit Individualisierungsbestrebungen in Verbindung gebracht haben. In unseren Überlegungen kommen wir (theoretisch) zu dem Schluss, dass vor allem studienstrukturelle und -organisatorische Faktoren, die die individuelle Ausgangslage berücksichtigen, für den Studienerfolg relevant ist. Daher würde ich mich freuen Ihren Beitrag zu lesen oder wenn Sie auf entsprechende Publikation von Ihnen verweisen könnten.

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