Beiträge der Wissenschaftsforschung und Hochschuldidaktik deuten schon länger auf den divergenten Zusammenhang von Fachkultur und Gestaltungsprämissen hochschulischen Lehrens und Lernen hin (bspw. Knorr-Cetina 2002, Wille 2002, Huber 1991, Schaeper 1997). Neuerdings wächst in der hochschuldidaktischen Diskussion die Bedeutung einer weiteren kulturellen Differenz, nämlich die zwischen wissenschaftlichen und berufspraktischen Ansprüchen an die Kompetenzentwicklung Studierender. Die Relevanz der Unterscheidung von abstrakt-wissenschaftlichem und konkret- berufspraktischem Wissen wurde im Kontext der soziologischen Verwendungsforschung (vgl. Beck & Bonß 1989) oder der Diskussion des erziehungswissenschaftlichen Theorie-Praxis-Problems (vgl. Benner 1980) umfänglich reflektiert und als spannungsgeladen markiert. Einhergehend tun sich bei der Frage des Umgangs mit dieser Differenz Leerstellen in anderen fachwissenschaftlichen Kontexten auf. Aber ist diese zusätzliche Differenz in den unterschiedlichen Fachkulturen überhaupt empirisch relevant und nachweisbar?
Erfahrungen aus Projekten des Bund-Länder-Wettbewerbs „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“ deuten an, wie unterschiedlich damit curricular-programmatisch und in der unmittelbaren Lehr- und Studienangebotsgestaltung der Fächer resp. Domänen – im Sinne tätigkeitsspezifischer Kontexte – umgegangen wird und interessanterweise auch, wie divers die besagten Begriffe Theorie, Praxis und deren intendierte Verzahnung kategorial ausformuliert werden und bildungspraktisch Relevanz bekommen (vgl. Mörth et al. 2018). Mittels aktueller Analysen von problemorientierten Interviews mit Studiengangverantwortlichen und Lehrenden aus o.g. Projektkontexten im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung, wollen wir diesen Hinweisen aus einem dynamischen hochschulischen Handlungszusammenhang empirisch begründet nachgehen. Mit einem fachübergreifenden Blick wollen wir systematisierend zum einen auf mittelbar formulierte konzeptionelle Differenzen und zum anderen auf eine konkrete Gestaltungspraxis der Hochschullehre hin fokussieren und unsere Ergebnisse offen diskutieren.
Literatur
- Beck, Ulrich/Wolfgang Bonß (1989): Verwissenschaftlichung ohne Aufklärung? Zum Strukturwandel von Sozialwissenschaft und Praxis. In: Ulrich Beck und Wolfgang Bonß (Hrsg.): Weder Sozialtechnologie noch Aufklärung? Analysen zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 7-45.
- Benner, Dietrich (1980): Das Theorie-Praxis-Problem in der Erziehungswissenschaft und die Frage nach Prinzipien pädagogischen Denkens und Handelns. In: Zeitschrift für Pädagogik, 26, 4, S. 485-497.
- Huber, Ludwig (1991): Fachkulturen. Über die Mühen der Verständigung zwischen den Disziplinen. In: Neue Sammlung 31, S. 3-24.
- Mörth, Anita/Schiller, Eric/Cendon, Eva/Elsholz, Uwe/Fritzsche, Christin (2018): Theorie und Praxis verzahnen in Studienangeboten wissenschaftlicher Weiterbildung. Ergebnisse einer
- fallübergreifenden Studie. Thematischer Bericht der wissenschaftliche Begleitung des Bund- Länder-Wettbewerbs „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“.
- Knorr-Cetina, Karin (2002): Wissenskulturen – Ein Vergleich naturwissenschaftlicher Wissensformen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
- Schaeper, Hildegard (1997). Lehrkulturen, Lehrhabitus und die Struktur der Universität: Eine empirische Untersuchung fach- und geschlechtsspezifischer Lehrkulturen. Blickpunkt Hochschuldidaktik, Bd. 100. Weinheim: Dt. Studienverlag.
- Wille, Rudolf (2002): Transdisziplinarität und Allgemeine Wissenschaft. In: H. Krebs, U. Gehrlein, J. Pfeiffer und J. C. Schmidt (Hrsg.): Perspektiven Interdisziplinärer Technikforschung: Konzepte, Analysen, Erfahrungen. Münster: Agenda-Verlag, S. 73-84.
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- Hochschuldidaktik
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